Die magischen 500 Meter
Erfahrungen in der Jugendarbeit der MfG Ostalb
„Früher war alles besser“- über diesen Satz kann man sich sicher streiten. Aber eines steht fest: Früher hatte ich als Schüler viel mehr Freizeit. Unterricht bis 16.00 Uhr war ein Fremdwort. Ich habe an drei unterschiedlichen Arbeitsgemeinschaften teilgenommen. Früher gab es auch kein „Mama-Taxi“. So musste ich auf den Flugplatz radeln oder wir sind gleich mitten in der Stadt (fessel-)geflogen. Mit 10ccm Verbrennungsmotor – natürlich ohne Dämpfer. Naja, früher…
Heute haben wir Modellflugplätze jenseits von Wohngebieten – weit draußen in der Natur. Aber wenn ich auf meinen Tacho schaue verkündet er mir stolze 20 km Entfernung von meinem Wohnort.
Wir haben auf unserem Flugplatz alles: Solaranlage, Kaffeeversorgung, einen Parkplatz mit und ohne Schatten, und, und, und… Nur eines haben wir nicht – Jugendliche!
Aber versetzen wir uns mal in die Lage eines Schülers, der um 17.00 Uhr Schulschluss hat. Wie soll der dann noch zu uns auf die Modellfluganlage kommen? Das „Mama-Taxi“ macht das zwei-, dreimal mit und 20 km mit dem Fahrrad sind auch nicht cool. Ein Beginn der Arbeitsgemeinschaft um 17.15 Uhr? Möglich, aber dann mit Kinder, mit denen verständlicherweise wenig anzufangen ist. Wir haben bei uns in der MFG Ostalb versucht, einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden.
An den meisten Schulen gibt es sehr lange Mittagspausen, die sich für eine AG eignen. Bei uns sind das 60 bis 90 Minuten. Dass die eine oder der andere Schüler in die Schnitte beißt, während er oder sie Rippen einfädelt – da gibt es Schlimmeres.
Viel wichtiger ist die Frage, welche Modelle kann man erfolgreich in der Mittagspause bauen und vor allem fliegen? Bei dieser Überlegung spielen die magischen 500 Meter eine große Rolle. Es machen nur solche Modelle Sinn, die in einem Radius von 500m um die Schule herum an den Start bringen kann. Das sind fußläufig maximal 20 Minuten für Hin- und Rückweg. Bleibt also noch genug Zeit für ein paar Flüge. Aber welche Modelle sind das?
Wenn man die Modellklassen durchforstet, kommen folgende Modelle für dieses Konzept in Frage:
– Kleine Wurfgleiter, deren maximale Flugweite im Bereich von Sportplatzabmessungen liegen
– Fesselflieger, mit einer Leinenlänge von max.10m
– Hubschrauber
– Drohnen und Drohnenbälle
Wir haben vor Jahren mit Hubschraubern angefangen. In einer Zwei-Feld-Halle mit Lehrer-Schüleranlage kann man einen 450er Hubschrauber problemlos bewegen. Allerdings fliegt von der Gruppe eben immer nur einer. Eine solche Hubschrauber – Arbeitsgemeinschaft ist teuer und kostenintensiv.
Als die Alpha 110 Copter von Graupner aufkamen, wurde die Sache schon besser. Mit diesen kleinen Coptern sind wir wöchentlich in der Halle geflogen. Ein kleiner Flug-Kurs aus Schwimmnudeln wurde aufgebaut und das war es schon an Vorbereitung. Das war relativ preiswert und das Wichtigste – wetterunabhängig.
Heute fliegen wir in der Halle mit Drohnenbällen. Das ist absolut ungefährlich und wir haben über das Jahr hinweg ganz selten eine Teilnehmerfluktuation. Die Gruppe besteht heute fast vollständig aus Schülerinnen und nennt sich entsprechend „Fliegermädchen“.
Eigentlich die ideale Modellsportart für eine Schularbeitsgemeinschaft ist aber der Fesselflug. Ist das Modell elektrifiziert, reicht in der Regel der Schulhof, immer aber der Schulsportplatz. Wir haben in diesem Jahr mit 5 Schülern der Klassenstufe 6 begonnen. In unserer Halle beträgt der maximale Flugkreisdurchmesser 24 m. Also musste ein Modell her, das sicher an einer 10 Meter langen Leine fliegt. Wir haben mehrfach experimentiert. Entstanden ist die MAMBA V2.0. Das Modell ist für den Aufbau durch ungeübte Schülerhände entwickelt. Und das Schöne ist, wir können mit diesem Modell jede Woche fliegen – auf dem Schulhof oder bei schlechtem Wetter in der Halle.
Aber auch fernab des Fesselflug lässt sich mit der 500 Meter Regel einiges auf die Beine stellen. Zum Beispiel auf dem nahegelegenen Sportplatz. Wir haben dafür den Lilienthal 31 verkleinert (das Original fliegt gut geworfen schon zu weit) und sind so auf die „Sommereule 21“ gekommen. Mittlerweile sind 60m aus der Hand für die Schüler keine Hürde. Es gibt spannende Wettbewerbe und das mitten in der Stadt. So kann man im Winter bauen und im Sommer fliegen!
Fazit: Kommen die Jugendlichen nicht zu uns, dann müssen wir zu ihnen kommen. Wenn wir sie so für uns gewonnen haben, dann fährt vielleicht auch das „Mama-Taxi“ mal öfter auf dem Flugplatz. Dorthin, wo wir sie eigentlich haben wollen.
Text und Fotos: Matthias Möbius – MFSD